Offener Brief von Donau Soja an DRV-Hauptgeschäftsführer Dr. Henning Ehlers
Sehr geehrter Herr Dr. Ehlers, Wien, 12. Mai 2022
die deutschen und europäischen Futtermittelwerke stehen vor großen Herausforderungen vor allem weil die Preisvolatilität groß und die Versorgungsketten angespannt sind. Gerade in einer solchen Lage wünscht sich Donau Soja eine faktenbasierte Diskussion. Den tragischen Ukrainekrieg zu benutzen, um agrarpolitisches Kapital daraus zu schlagen, schadet den deutschen und europäischen Konsumenten und auch den Landwirten in Deutschland und der Ukraine.
Sie behaupten in Pressemitteilungen, die „Rohstoffbasis für ohne-Gentechnik-Produktion (sei) weggebrochen“ (18.März) und daher “die Aufrechterhaltung der Versorgung des breiten Marktes mit „gentechnikfreier“ Ware (…) längerfristig nicht realistisch“ (2. April).
Ihre pauschalen Aussagen über die in Zukunft nicht mehr zu garantierende Versorgung mit gentechnikfreien Futtermitteln, die Sie bis heute nicht zurückgenommen haben, brauchen aus unserer Sicht eine öffentliche Antwort.
Die Ukraine lieferte 2021 lediglich 130.000 Tonnen Sojaschrot sowie 430.000 Tonnen Sojabohnen in die EU – insgesamt importieren die EU-27 etwa 35 Mio. Tonnen. Deutschland bezog laut Experten-Schätzungen weniger als 100.000 Tonnen GVO-freie Sojabohnen und 30.000 Tonnen GVO-freien Sojaschrot aus der Ukraine – etwa 10% des geschätzten gentechnikfeien Sojabedarf in Deutschland und nur 2% der gesamten deutschen Sojaimporte. Ihre Behauptungen erscheinen also sachlich falsch und gegen die Interessen der Landwirte und Konsumenten.
Gerne möchten wir mit Ihnen in einen Dialog treten und Fakten, Einschätzungen und Erwartungen abgleichen. Bitte verstehen Sie diesen Brief vor allem auch als Einladung dazu.
Wenn wir von gentechnikfreiem Soja sprechen, können wir Sie und Ihre Mitglieder beruhigen. Es gibt ausreichend Sojaschrote aller Qualitäten bis zur nächsten Ernte und die Aussaat in der EU wird 10-15% über dem Vorjahr ausfallen. Wir erwarten in Europa eine Sojaernte von knapp 10 Millionen Tonnen für dieses Jahr, davon geschätzt 7 Mio. Tonnen gentechnikfreie Ware.
Wenn Sie und Ihre Partner aus der Gentechnikfreiheit ausscheiden, wem sollen die europäischen Landwirte – darunter immer mehr deutsche Soja-Betriebe – ihre gentechnikfreien Sojabohnen liefern? Europäische Landwirte sind wettbewerbsfähig bei gentechnikfreiem Soja. Mit importiertem Gentechnik-Soja kann die europäische Landwirtschaft wirtschaftlich nicht in Wettbewerb treten. Vor allem auch deshalb, weil es bei Ölsaaten keinen Außengrenzschutz und auch keinen CO2-Ausgleich gibt.
Wenn Sie den Totalausfall der Ukraine herbeireden, ignorieren Sie Tatsachen. Jeden Tag kommen steigende Mengen an Agrargütern aus der Ukraine über den Land- und Binnenwasserweg in die EU. Bereits bisher sind 55% der Soja-Importe auf dem Landweg exportiert worden. Gerade in diesen Tagen sitzen die ukrainischen Landwirte auf ihren Traktoren und säen mehr Donau Soja denn je. Laut Agricensus steigt die Sojafläche in der Ukraine prozentuell stark an.
Ja, es gibt Herausforderungen – vor allem bei der Logistik. Dort kann sich die deutsche Ernährungswirtschaft engagieren, um mehr und nicht weniger Ackergüter aus der Ukraine in die EU zu bringen. Und natürlich müssen wir auch über andere Rohstoffe sprechen – Stichwort Rapsschrot. Aber auch hier sind die Verhältnisse deutlich günstiger als oft dargestellt.
Begraben Sie aber die Gentechnikfreiheit, so begraben Sie die Bemühungen um eine starke eigenständige europäische Eiweißversorgung. Damit schaden Sie den Landwirten in Deutschland und der Ukraine sowie allen Verarbeitern, die sich gerade bemühen, den steigenden Bedarf zu decken und die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen. Statt europäischem Soja wieder GVO-Soja aus Übersee zu kaufen, treibt uns nur tiefer in die Abhängigkeit.
Wir laden Sie hiermit zum Dialog ein, es gibt viel zu besprechen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Krön
Präsident Donau Soja